29.11.2013
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Regionalverband Nordost
Taten zählen, das Fundament ist im Koalitionsvertrag gelegt
Wie sagte ein neues Mitglied der CDU-Fraktion mit Sitz im Gesundheitsausschuss so richtig: "Das ist nicht perfekt, lässt aber engagierte Arbeit zu. Daran werden wir uns orientieren!"
Entscheidend auch für die Beurteilung durch PHYSIO-DEUTSCHLAND sind die positiven Aspekte, die für den Heilmittelbereich überwiegen:
- Die Maßnahmen, auf die sich die Koalition geeinigt hat, sind eindeutig nicht arztlastig. An vielen Stellen des Vertrages schimmert im Gegenteil durch, dass ein gesundes Misstrauen gegenüber den Forderungen der Ärzteschaft und deren Arbeitsabläufen besteht, sei es bei der Vergabe von Terminen bei Fachärzten, sei es bei der Qualität der Patientenversorgung ganz allgemein usw.. Als Konsequenz hieraus wird den Krankenkassen die Möglichkeit gegeben, die Qualitätskontrolle in der Patientenversorgung anhand aller ja längst vorhandener Daten auszubauen, dies im Übrigen auch im stationären Bereich.
- Die "nicht-ärztlichen Leistungserbringer" – eigentlich ein schrecklicher Begriff, der sich aber leider eingebürgert hat – werden deutlich aufgewertet. Der Anfang ist gemacht: Qualifizierte nicht-ärztliche Gesundheitsberufe werden – wenn auch zunächst unter der Aufsicht der Ärzte – delegierte Leistungen in eigener Verantwortung erbringen; neue Formen der Substitution ärztlicher Leistungen sollen erprobt, evaluiert und je nach Ergebnis in die Regelversorgung überführt werden.
- Die Qualität der stationären Versorgung soll über eine Reihe von finanziellen Anreizen verbessert werden. Wir erwarten deshalb, dass die stationären Einrichtungen motiviert werden, physiotherapeutische Stellen hinzuzusetzen: Denn in vielen Bereichen ist ein Operationserfolg nicht ohne qualifizierte Anschlussbehandlung denkbar. Der Stellenabbau im Bereich Physiotherapie hat sich als Fehler erwiesen.
- Die Politik fordert neue strukturierte Behandlungsprogramme z.B. für die Behandlung von Rückenleiden und gibt Patienten die Möglichkeit, unterstützt von ihrer Krankenkasse Zweitmeinungen vor bestimmten Operationen einzuholen, deren Anzahl in Deutschland auch die Politik nachdenklich gemacht hat. Die Erkenntnis, dass qualifizierte Physiotherapie so manche Operation verzichtbar macht, ist deutlich gewachsen.
- Der Politik geht es auch um den Abbau von Bürokratie, zumal sie – wie bei Regressen im Heilmittelbereich – die dringend notwendige Versorgung von Patienten behindert. Aber auch die Beschwerden der Heilmittelverbände bei oft willkürlichen Rezeptabsetzungen („Retaxionen“) haben die Politik erreicht. So heißt es jetzt eindeutig im Koalitionsvertrag: "Unberechtigte Regressforderungen bei Retaxionen gegenüber Heilmittelerbringern wollen wir … unterbinden."
- Vor einigen Jahren noch undenkbar ist es jetzt Wille der Koalition: Im Interesse einer optimierten Patientenbehandlung wird die elektronische Kommunikation flächendeckend und berufsübergreifend eingeführt, d.h. zwischen allen Leistungserbringern ermöglicht. Denn es geht um das Wohl des Patienten, und nicht um Standesdenken.
- Die Koalition will binnen eines Jahres ein Präventionsgesetz verabschieden. Wir erwarten, dass in diesem Zug auch alle steuerlichen Nachteile abgebaut werden, die für Präventionsleistungen der Physiotherapeuten zurzeit noch gelten: Maßnahmen der Sekundär- und Tertiärprävention müssen ebenso von der Umsatzsteuer befreit sein wie die Heilmitteltherapie selbst.
- Nicht zuletzt: Konkrete strafrechtliche Korruptionsregelungen werden in Ergänzung zu § 128 SGB V demnächst unterbinden, dass Ärzte an von ihnen verordneten Leistungen wirtschaftlich profitieren.
Uns fehlen konkrete Aussagen zu folgenden Punkten:
- Die Koalition fordert zwar eine Qualifizierung auch der Heilmittelberufe; es fehlt aber ein Bekenntnis zur Akademisierung.
- Die Koalition kündigt neue Formen der Substitution ärztlicher Leistungen an; es fehlt aber ein Bekenntnis zum Direktzugang, den das Bundesverwaltungsgericht längst über den Umweg des sektoralen Heilpraktikers für den Bereich Physiotherapie erlaubt hat.
- Die Koalition fordert den Abbau von Bürokratie; es fehlt aber eine konkrete Aussage zur Forderung, verbindlich eine Arztsoftware einzuführen, die eine heilmittelrichtlinienkonforme Verordnung sicherstellt.
- Auch hier nicht zuletzt: Es fehlt ein Bekenntnis zum Ost-West-Angleich bei den Heilmittelvergütungen, der überfällig ist, und zur vorbehaltlosen Abkoppelung der Heilmittelvergütungen von der Grundlohnsummenentwicklung.