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21.01.2019

Im Gespräch mit Andrea Rädlein zum Terminservice- und Versorgungsgesetz

Zwei Stunden Treffen der Verbände im Bundesgesundheitsministerium und drei Stunden Anhörung zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages – geballte Berufspolitik in der dritten Kalenderwoche des Jahres 2019. Für PHYSIO-DEUTSCHLAND in Berlin dabei war unsere Vorsitzende Andrea Rädlein.


Liebe Andrea, eine spannende Woche liegt hinter Dir. Fangen wir mit dem Verbändetreffen mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Thomas Gebhart im Bundesgesundheitsministerium an. Wie ist das Gespräch verlaufen?

Am 14. Januar haben wir über die Einzelheiten zum Gesetzentwurf zum TSVG und die dadurch bedingten Veränderungen für uns Therapeuten gesprochen. Dabei haben wir im offenen Austausch über unsere Forderungen und Nachbesserungspotenziale gesprochen.

Haben aus dem Ministerium noch weitere Personen an dem Treffen teilgenommen?

Ja. Es war sehr positiv, dass neben dem Staatssekretär und seiner Referentin Frau Dr. Decker auch die zuständigen Mitarbeiter der Fachabteilungen des Ministeriums beteiligt waren: Der für Heilmittel zuständige Referatsleiter Herr Brandhorst und seine Mitarbeiterin Frau Krogmann sowie Herr Becker, der in der Abteilung 2 "Gesundheitsversorgung“"für die Krankenkassen zuständig ist.

Herr Dr. Gebhart und seine Mitarbeiter haben unsere Anregungen, Forderungen und auch unsere Bedenken aufgenommen. Sie werden diese gegenüber den Kostenträgern, aber auch innerhalb der Arbeitsebene im Ministerium besprechen. Außerdem haben sie bereits angekündigt, dass das Gesetz voraussichtlich einen Monat später, also am 01. Mai 2019 in Kraft treten soll.

Um welche Punkte ging es ganz konkret?

Es ging beispielsweise um die wirtschaftliche Verantwortung der Therapeuten, um die Umsetzung der Blankoverordnung und unsere Forderung nach Modellvorhaben zum Direktzugang. Auch die geplanten Vereinfachungen des Zulassungsverfahrens waren Thema. Hier ist uns eine verbindliche und bürokratiearme Lösung wichtig, die vertraglich zwischen den Berufsverbänden und dem GKV-Spitzenverband verhandelt werden muss.

Im aktuellen Gesetzentwurf wird die Zulassung einer Praxis in Verbindung mit der Barrierefreiheit in Abhängigkeit gesetzt. Hier bedarf es dringend einer Anpassung, die den Bestandsschutz für die vorhandenen Praxen sichert. Ansonsten droht eine Schließungswelle der Praxen und damit eine noch stärkere Versorgungslücke. Selbstverständlich sollte jede Praxis im Rahmen der Möglichkeiten auf Barrierefreiheit achten, das unterstützen wir sehr. Aber um die Versorgungssituation nicht weiter zu verschärfen, fordern wir aus der "muss-" eine "kann-Regelung" im Gesetz zu verankern.

Beim Thema Bürokratieabbau haben wir unsere SHV-Forderung erläutert, das Zuzahlungsverfahren nicht mehr von den Praxen durchzuführen sondern den Einzug auf die Krankenkassen zu verlagern. Das würde unsere Praxen massiv entlasten. In anderen Bereichen wie beispielsweise bei stationären Behandlungen ist diese Vorgehensweise selbstverständlich.

Wie sieht es mit dem Thema Vergütungserhöhungen und bundeseinheitlichen Preisen aus?

Auch darüber haben wir gesprochen. Die Anhebung auf bundesweite Höchstpreise ist da ein erster wichtiger Schritt, den wir sehr begrüßen. Der GKV-Spitzenverband sieht hier Probleme in einer zeitnahen Umsetzung, aber wir werden da nicht locker lassen. Unter Umständen muss zunächst eine Veröffentlichung der einheitlichen Leistungen vollzogen werden, um dann im zweiten Schritt einzelne Positionen wie zum Beispiel den Hausbesuch zu vereinheitlichen.

Zum Thema Vergütung gehört für uns auch die Neugestaltung einer Schiedsstelle.. Hier haben wir deutlich gemacht, dass bei der Einrichtung einer Schiedsstelle eine paritätische Kostenregelung  weder fair noch machbar für die Berufsverbände ist.

Gab es noch weitere Themen beim Gespräch im Ministerium?

Ja, wir haben noch über die Einbeziehung der Therapeuten bei der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte gesprochen. Hier haben uns die Vertreter des Ministeriums vertröstet auf eine schrittweise Einführung. Für die Therapeuten sei die Finanzierung noch nicht geklärt. Diese Antwort war für uns nicht zufriedenstellend. Wir sehen die dringende Notwendigkeit, die Therapeuten bereits in der ersten Phase einzubeziehen. Die Kosten sind mit circa sechs Millionen eher als gering einzustufen. Hier bleiben wir weiter dran und versuchen, Überzeugungsarbeit zu leisten.

Zwei Tage später am 16. Januar fand die 1. Anhörung zum TSVG im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages statt. Über drei Stunden haben Politiker den zahlreichen Sachverständigen ihre Fragen zum Gesetzentwurf gestellt. Wie war Dein Eindruck von dieser Veranstaltung?

Aufgrund des großen Interesses und der vielen Sachverständigen fand die Anhörung im Sitzungssaal der SPD-Bundestagsfraktion statt. So eine Anhörung ist eine sehr disziplinierte und konzentrierte Angelegenheit. Die einzelnen Vertreter der Berufsverbände der Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden konnten ihre Forderungen bekräftigen. Selbstverständlich haben beispielsweise die Ersatzkassen Bedenken bezüglich der steigenden Ausgaben für Heilmittel geäußert, aber auch hier haben die Vertreter der Berufsverbände aufgezeigt, dass es immensen Nachholbedarf in der Vergütung bei den Therapeuten gibt. Die Politik muss jetzt die Weichen für eine bundesweite Schulgeldfreiheit und eben auch für angemessene Vergütungen stellen. Daran haben wir keinen Zweifel gelassen.

Wie geht es jetzt weiter?

Am 13. Februar 2019 wird es eine zweite Anhörung im Gesundheitsausschuss geben.  Die Zeit bis dahin werden wir für weitere Gespräche mit der Politik nutzen.

Vielen Dank für das Gespräch und die Infos!


Das Gespräch führte Ute Merz, Physiotherapeutin und Referatsleiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von PHYSIO-DEUTSCHLAND.