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18.11.2019

70 Jahre PHYSIO-DEUTSCHLAND – große Jubiläumsveranstaltung in Berlin

November 1949, Nachkriegszeit, Deutschland liegt in Trümmern, viele Kriegsopfer und Verletzte - genau zu dieser Zeit vor 70 Jahren, im Gründungjahr der Bundesrepublik Deutschland, ist auch der Gründungtag des Deutschen Verbandes für Physiotherapie. Die damals bestehenden krankengymnastischen Verbände und Schulen in der Bundesrepublik schließen sich zu einem eingetragenen Verein zusammen und gründen am 05. November 1949 in Bad Soden den Berufsverband: Zentralverband der krankengymnastischen Landesverbände im westdeutschen Bundesgebiet e.V.

Diesen Anlasse feierten 150 Gäste am 15. November in Berlin mit einem ganz besonderen Jubiläumssymposium. 70 Jahre Berufsverband und 70 Jahre Weiterentwicklung der Physiotherapie in Deutschland: Ein guter Anlass für einen Blick zurück auf das Erreichte – berufspolitisch und fachlich - sowie einen ambitionierten Blick nach vorne, auf die weiteren Ziele von PHYSIO-DEUTSCHLAND.

Der Einladung von PHYSIO-DEUTSCHLAND sind sowohl Gesundheitspolitiker, ehemalige Vorstände, Vorstandsmitglieder aus anderen Verbänden – national und international, Unterstützer von PHYSIO-DEUTSCHLAND sowie zahlreiche aktive Verbandsmitglieder aus den Landesverbänden und Gremien gefolgt. Sehr herzlich begrüßte Andrea Rädlein als Vorsitzende von PHYSIO-DEUTSCHLAND alle Gäste in der Kalkscheune Berlin – in unmittelbarer Nähe zum Bundesministerium für Gesundheit (BMG).

Beständigkeit durch Wandel

Andreas Westerfellhaus, Staatssekretär im BMG und Pflegebeauftragter der Bundesregierung, brachte es in seinem Festvortrag am Vormittag auf den Punkt: Es geht um eine gute Patientenversorgung in Deutschland. Dafür sei eine optimierte interprofessionelle Zusammenarbeit aller am Versorgungsprozess Beteiligten die Voraussetzung. Die anstehenden Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung ließen sich aber nur stemmen, wenn alle anfangen, auch mal anderes zu denken. Unter dem Motto „Beständigkeit durch Wandel“ motivierte Andreas Westerfellhaus die Anwesenden, gemeinsam mit ihm weiter für eine angemessene Vergütung, höhere Wertschätzung und mehr Autonomie in den Gesundheitsfachberufen einzustehen.

Für die musikalische Umrahmung des festlichen Programms am Vormittag sorgte das Prima-Streichquartett. Mit klassischen und modernen Stücken setzten die Musiker ganz besondere Akzente zwischen den Grußworten von den Bundestagsabgeordneten Emmi Zeulner (CSU) und Dr. Roy Kühne (CDU). Beide betonten den Stellenwert der Physiotherapie in der Patientenversorgung. Es bestehe weiter Handlungsbedarf beispielsweise bei der Novellierung der Berufsgesetze, so die beiden Gesundheitspolitiker. Dr. Roy Kühne verwies auf Kosten von circa 1,2 Milliarden Euro, die durch Wartezeiten im Gesundheitswesen entstehen. Hier müsse man neu denken und mutig sein, um dem Ruf der Patienten nach einer guten Versorgung gerecht zu werden.

Im Anschluss verwies Ute Repschläger als Vorsitzende des Spitzenverbandes der Heilmittelverbände (SHV) in ihrem Grußwort und den Glückwünschen für PHYSIO-DEUTSCHLAND auf das große Durchhaltevermögen, den positiven Ehrgeiz etwas verbessern zu wollen und den langen Atem, der dafür häufig erforderlich ist. Der SHV mit seinen Mitgliedsverbänden zeige, dass es möglich ist, gemeinsam mit Verbündeten etwas zu bewegen. Voraussetzung dafür ist die Einigkeit gegenüber der Politik bei gelebter Meinungsvielfalt in den einzelnen Verbänden. Dies gilt es weiter auszubauen gerade im Hinblick auf die anstehenden Herausforderungen gegenüber der Politik und den Kostenträgern.
Die Vorsitzende der European Region der World Confederation of Physical Therapy (ER-WCPT) Esther-Mary D’Arcy übermittelte herzliche Glückwünsche und große Anerkennung. Besonders würdigte sie die fachliche Arbeit von PHYSIO-DEUTSCHLAND auch auf der internationalen Ebene. PHYSIO-DEUTSCHLAND ist Gründungsmitglied des Weltverbandes der Physiotherapie 1951 in London.

Ein Blick zurück – fachlich und berufspolitisch

Hätten Sie gedacht, dass die Anfänge der Physiotherapie bereist 3000 v.Ch bestätigt sind? M. Ferdinand Bergamo hat in seinem Vortrag eindrucksvoll die Bewegung der Physiotherapie von damals bis heute beschrieben. Einen Beruf, in dem im Jahr 2017 nach Angaben der WCPT etwa 1,6 Millionen Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten weltweit tätig sind. Neben dem weiten Blick zurück in die Antike und der massiven Weiterentwicklung der Physiotherapie im 18. und 19. Jahrhundert wagte Ferdinand Bergamo aber auch einen kleinen Blick über das heutige Jahr hinaus und prophezeite den Anwesenden eine rasante Entwicklung durch die technischen Fortschritte unserer Zeit. Doch kein Grund zur Sorge sei dies, es gelte, die sich bietenden Möglichkeiten durch die digitalen Entwicklungen für die Physiotherapie zu nutzen.

In 70 Jahren wurde aus dem Zentralverband der krankengymnastischen Landesverbände im westdeutschen Bundesgebiet e.V. der heutige Deutsche Verband für Physiotherapie – aus ZVK wird PHYSIO-DEUTSCHLAND. Es gab zahlreiche Höhen, aber auch ein paar weniger schöne Ereignisse im Laufe der Verbandsgeschichte. Die wichtigsten Meilensteine des Verbandes präsentierte der langjährige Vorsitzende und Generalsekretär des ZVK, Eckhardt Böhle. In seiner Rede flankierte er die Herausforderungen und Etappenziele des Verbandes mit eindrucksvollen Bildern und Videosequenzen. Neben der Gründung im Jahr 1949, der schnellen Fusion mit den Partnerverbänden der ehemaligen DDR direkt nach dem Mauerfall im Jahr 1990 und dem massiven Protest von mehr als 25.000 Therapeuten im Jahr 1996 bei einer Großdemo in Bonn gegen die Pläne des damaligen Gesundheitsministers Horst Seehofer, Physiotherapie zur Gestaltungsleistung innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung zu degradieren, gibt es in 70 Jahren Verbandsarbeit viele Meilensteine - gerade in den letzten Jahren, nach der Kampagne „38,7 % mehr wert.“ von PHYSIO-DEUTSCHLAND für eine angemessene Vergütung, kam ein Stein ins Rollen. Gleich drei Gesetz in Folge haben seit 2015 spürbare Verbesserungen für Physiotherapeuten in der ambulanten Versorgung gebracht und an weiteren wie zum Beispiel Vergütungsverhandlungen, die die Wirtschaftlichkeit der Praxis im Fokus haben, wird aktuell mit Hochdruck gearbeitet.

Ehrennadel verliehen

Seit 1987 verleiht der Deutsche Verband für Physiotherapie eine Ehrennadel für besondere Verdienste rund um die Physiotherapie in Deutschland. Nach der sehr beeindruckenden Darstellung der Meilensteine des Verbandes verlieh Andrea Rädlein dem langjährigen Geschäftsführer Heinz Christian Esser die Ehrennadel des Deutschen Verbandes für Physiotherapie. Heinz Christian Esser hat 33 Jahre die politischen Erfolge von PHYSIO-DEUTSCHLAND entscheidend mit geprägt. Dafür dankte Andrea Rädlein sehr herzlich und das Plenum unterstrich diesen Dank mit langanhaltendem Applaus.

Perspektiven wechseln – nach innen, außen und nach vorne

Den letzten Themenblock des Symposiums gestalteten die Referenten Prof. Dr. Mieke Wasner, Frauke Mecher und Heiko Dahl. Sie rundeten den Tag ab mit verschiedenen Perspektivenwechseln - auf die Physiotherapie, den Patienten, die Therapeuten und den Verband.
Mit einem Sichtwechsel zwischen dem Anspruch eines Patienten auf die Physiotherapie und dem Anspruch einer Therapeutin auf das eigene Handeln, zeigte Prof. Dr. Mieke Wasner auf, wie weit wir auf dem Weg vom Beruf, hin zu einer Profession sind. Noch erfüllen wir die Kriterien für eine Profession noch nicht ganz, doch wir sind auf einem guten Weg. Prof. Dr. Mieke Wasner wünschte PHYSIO-DEUTSCHLAND für die Zukunft viele aktive Mitglieder, Erfolge und eine große Portion Energie.

Frauke Mecher, Sprecherin des Beirats und selbst Leiterin der Arbeitsgemeinschaft Vojta im Verband, zog die Aufmerksamkeit der Teilnehmer auf ihre persönlichen „Leuchttürme“ im Verband. Die Eigenschaften und Aufgaben eines Leuchtturms sind auf die Physiotherapie und ihre Berufsangehörigen durchaus übertragbar. So hat die Physiotherapie die Weite und Freiheit, Menschen durch ihr ganzes Leben zu begleiten, sogar bis zum Lebensende. Etwa 197.000 Physiotherapeuten in Deutschland setzen sich für Sicherheit und Beständigkeit für ihre Patienten ein. PHYSIO-DEUTSCHLAND würdigt einige davon mit der Ehrennadel des Verbandes oder mit Auszeichnungen wie dem Stein der Weisen, der seit 18 Jahren jährlich den Besitzer wechselt oder dem Studienpreis, mit dem schon zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten in den letzten Jahren ausgezeichnet wurden. Einen ganz persönlichen Dank sprach Frauke Mecher in ihrer Rede den Mitarbeitern, Funktionären und Gremienmitgliedern aus, die mit ihrem Einsatz den Verband zu dem machen, was er ist.

„Zukunft Physiotherapie 2050“ mit diesem Blick in die Zukunft und einer persönlichen Einschätzung zur Zukunft der Physiotherapie in Deutschland von Heiko Dahl, dem Geschäftsführer der Physio-Akademie gGmbH, endete ein Tag mit vielen Highlights, einem inspirierenden Einblick in die Arbeit von PHYSIO-DEUTSCHLAND und der Zuversicht, dass die Weiterentwicklung der Physiotherapie auch in Zukunft durch eine engagierte Verbandsarbeit möglich ist.

Mit einer freundschaftlichen Rede und einer Videoreise durch 34 Jahre gute Partnerschaft, gratulierte Susanne Hausmann von der NOVENTI Healthcare GmbH PHYSIO-DEUTSCHLAND sehr herzlich. Die NOVENTI Healthcare GmbH und die Confina GmbH haben als langjährige Partner von PHYSIO-DEUTSCHLAND das Jubiläumssymposium und die Party danach durch ihre finanzielle Unterstützung erst möglich gemacht.

Gelöste Stimmung und buntes Treiben

Nach einem sehr beeindruckenden Programm mit vielen Gänsehautmomenten und dem klaren Blick auf zukünftige Herausforderungen, schloss sich am Abend in lockerer Atmosphäre eine ausgelassene „Geburtstagsparty“ an. „Wir sind uns unserer Verantwortung für die Physiotherapie und deren Weiterentwicklung in Deutschland bewusst. Wir werden alles daran setzen, unseren Beruf und damit die therapeutische Patientenversorgung zukunftsfest zu gestalten – ein gutes Einkommen, hohe Qualität, die Modernisierung und Weiterentwicklung unserer Ausbildung sowie gute Arbeitsbedingungen für alle Kolleginnen und Kollegen sind für uns dabei der Maßstab“, beschreibt Andrea Rädlein den Anspruch an die weitere Verbandsarbeit in den nächsten Jahren.