Login Mitglieder
A- A A+ Startseite Patienten‌ & Interessierte Fachkreise
10.12.2016

Faktencheck Rücken der Bertelsmann Stiftung: Aufklärung nötig

Die Bertelsmann Stiftung hat im Juni 2016 eine repräsentative Studie zum Thema "Rückenschmerz" durchgeführt und Einstellungen, Versorgungserfahrungen und Informationsverhalten in der Bevölkerung abgefragt.

Gut 1.000 Personen (n= 1.005) hat das Markt- und Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid im Auftrag der Bertelsmann Stiftung per Telefoninterview befragt. Die Stichprobe umfasste Personen im Alter von 18 bis 80 Jahre und ist nach den demoskopischen Merkmalen "Alter", "Geschlecht", "Bildungsstand", "Haushaltsgröße", "Region in Deutschland" sowie "Erwerbstätigkeit" repräsentativ für die deutsche Bevölkerung dieses Alters.

Irrtürmer weit verbreitet

Die Studie zeigt: Noch immer kursieren viele Irrtümer in der Bevölkerung. So werden die in den vergangenen Jahren vermehrt eingesetzten diagnostischen Maßnahmen wie CT-, Röntgen- oder MRT-Bilder als sinnvoll angesehen. Das Vertrauen in die Medizintechnik scheint groß. Dabei ließ sich in Studien oft keine Evidenz nachweisen.

Auch die früher proklamierte Haltung, bei Rückenschmerzen sei Schonung angebracht, ist nach wie vor gängige Annahme. Rückenschmerzen dagegen als temporären Zustand und reversibel anzusehen, ist weniger verbreitet.

Unterschiedliche Wahrnehmung in der Bevölkerung

In großen Teilen der Bevölkerung zeigt sich damit eine hohe "Medizinaffinität" und andererseits die Wahrnehmung, Rückenschmerzen seien abnorm und bedürften sofortiger medizinischer Therapie. Beides gehört dem früher vorherrschenden biomedizinischen Krankheitsmodell an: Um Krankheiten zu lindern/heilen, geht man hier von einer notwendigen ärztlichen Intervention aus.

Aber: Nur 17 Prozent der Älteren (60 bis 80 Jahre) sind dagegen vom biomedizinischen Modell überzeugt. Die Gründe hierfür vermuten die Forscher zum einen in der besseren Schulbildung, zum anderen in der durch das Alter gewonnenen Krankheitserfahrung.

Hinzu kommen erhebliche Informationsdefizite: attraktiver gestaltete Informationen könnten hier eine gewinnbringende Maßnahme sein.

Regionale Unterschiede

Auch regional gibt es Unterschiede: Betroffene in Berlin oder Bayern gehen mit Rückenschmerzen häufiger zum Arzt als diejenigen, die in Hamburg, Schleswig-Holstein oder Rheinland-Pfalz wohnen.

Hausarzt oder Orthopäde

Orthopäden scheinen den aktuellen Forschungsstand eher zu vermitteln und empfehlen weniger häufig, dass die Patienten sich schonen sollen. Bei Hausärzten ist dies weiter verbreitet. Gleichzeitig diagnostizieren Orthopäden den Betroffenen öfter einen "kaputten Rücken". Bei den Patienten führt dies zur Demotivierung und einer passivitätsfördernden Haltung.

Interessant ist, dass Dreiviertel der Befragten sagen, die Empfehlung einer kurativen oder bildgebenden Maßnahme komme vom Arzt. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um einen Hausarzt oder Orthopäden handelt.

Dabei sagen auch Fachleute, die Quote der Bildgebung ist zu hoch: Bei 38 Prozent der Befragten wurde eine Computertomografie durchgeführt, bei über der Hälfte eine Röntgenaufnahme.

Änderungen im Vergütungssystem

Bildgebungsverfahren sind teuer. Dagegen wird das Arzt-Patienten-Gespräch nur unzureichend vergütet. Aber gerade das ist wichtig, um Rückenschmerzen zu bewerten und auch den Krankheitsverlauf einzuschätzen.

Ein internationaler Vergleich zeigt: In Ontario, (Kanada) bekommen Ärzte seit 2012 keine Vergütung mehr, wenn sie bei Rückenschmerzen ohne einen erkennbaren gefährlichen Verlauf eine bildgebende Diagnostik anordnen. Die Anzahl der verordneten Bildgebungen konnte so gesenkt werden. In den Niederlanden wurden striktere Zulassungsbeschränkungen zu Röntgen-, CT- und MRT-Geräten eingeführt.

Mehr Infos für Sie und Ihre Patienten

Möchten Sie sich näher informieren oder Ihren Patienten weitere Infos zur Verfügung stellen? Alle Details zur Studie lesen Sie online auf der Website "Faktencheck Gesundheit" der Bertelsmann Stiftung.  Auch eine Checkliste für den Arztbesuch liegt hier bereit. Über die Website gelangen Sie übrigens auch zu weiteren Studien, beispielsweise dem "Faktencheck Knieoperationen".