Login Mitglieder
A- A A+ Startseite Patienten‌ & Interessierte Fachkreise
18.09.2020

Patientenkommunikation in der Covid-19 Pandemie

Das SARS-CoV-2 Virus hat die Gesundheitsbranche vor große Herausforderungen gestellt. Angesichts einer zunehmenden Verunsicherung in der Bevölkerung ist zukünftig nicht nur der klinische Umgang mit dem bislang unbekannten Virus wichtig, sondern auch eine der Lage angepasste Kommunikation mit Patient*innen.

Mit diesem Thema beschäftigt sich auch das EBM-Netzwerk, das im Jahr 2000 als ein Zusammenschluss medizinischer Fachgesellschaften im deutschsprachigen Raum gegründet wurde, um Konzepte und Methoden einer evidenzbasierten und patientenorientierten Medizin in Praxis, Lehre und Forschung zu verbreiten und weiter zu entwickeln. Seit März veröffentlicht das EBM-Netzwerk fortlaufend Stellungnahmen, die dabei helfen sollen, Covid-19 zu beurteilen und entsprechende Studien einzuordnen. Im Folgenden möchten wir Ihnen einen kurzen Überblick über die vom EBM-Netzwerk veröffentlichten aktuellen Zahlen, Daten und Fakten geben:

1. Hospitalisierungen: In Deutschland waren zum Höhepunkt der Pandemie im April 2922 Intensivfälle in Behandlung. Dies entspricht einer Auslastung der deutschen Intensivbetten von 9,7%. In Österreich waren im gleichen Zeitraum rund 26% der Intensivbetten belegt, in der Schweiz 98%, wobei nur rund 56% davon Covid-19 Fälle darstellten.

2. Letalität: Die Berechnung der Letalität ist nach wie vor schwierig. Da nicht zwischen Erkrankten und symptomlos Infizierten unterschieden werden kann, lässt sich die Case Fatality Rate, also der Anteil der Verstorbenen pro Krankheitsfall, nicht sauber ermitteln. Zu Beginn wurde eine Case Fatality Rate von über 10% errechnet. Aufgrund der hohen Dunkelziffer asymptomatischer Erkrankungen geht man inzwischen davon aus, dass dieser Wert nicht zutrifft. Man verwendet daher nun die Infection Fatality Rate, also die Sterblichkeit pro Infektionsfall, die auch asymptomatische Fälle mit einschließt. Diese liegt seit Anfang August in Deutschland zwischen 0,1% und 0,4%, für Österreich und die Schweiz ergeben sich ähnliche Werte. Eine Metaanalyse aller weltweit verfügbaren Daten aus dem Juli errechnete 0,68%, wobei hierbei die unterschiedliche Güte der Daten aus den verschiedenen Ländern berücksichtigt werden muss. Außerdem besteht nach wie vor die Problematik, dass die Teststrategie häufig variiert, wordurch nicht alle Infizierten ermittelt werden können.

3. Fallzahlen: In Deutschland lag der Altersmedian der Verstorbenen bei 82 Jahren, insgesamt waren 85% älter als 70 Jahre. 3,4% der positiv Getesteten waren unter 10 Jahre alt, rund 6,4% zwischen 10 und 19 Jahren. Ob Kinder und Jugendliche weniger empfänglich für eine Infektion sind, oder insgesamt seltener getestet werden, kann derzeit nicht beurteilt werden.

4. Risikofaktoren: In einer Metaanalyse zeigten sich kardiovaskuläre Erkrankungen, Hypertonie, Diabetes mellitus, Herzinsuffizienz, chronische Niereninsuffizienz und Krebs als wesentliche Risikofaktoren bei einer Covid-19 Erkrankung.

5. Mund-Nasen-Schutz: Ein Systematic Review, das zwei hochwertige randomisierte kontrollierte Studien einschloss, konnte Alltagsmasken eine Reduktion des Infektionsrisikos von 17% bestätigen. Chirurgische Masken konnten das Risiko um 88% reduzieren, N95 Masken nochmals relativ um 22%. Dies bestätigt, dass der Mund-Nasen-Schutz dem Fremdschutz dient, während zum Eigenschutz nur FFP-Masken in Frage kommen. Ein weiteres Review von 10 randomisierten kontrollierten Studien konnte hingegen keinen signifikanten Effekt von Mund-Nasen-Schutzmasken bei Influenza finden. Die Studienlage bleibt in dieser Hinsicht derzeit widersprüchlich.

6. Testqualität: Bei den derzeit verwendeten PCR-Tests gehen Studien von einer Spezifität von 98,6% aus. Diese Zahl wurde jedoch im Laborversuch ermittelt und kann nicht auf echte Proben übertragen werden. Im Rahmen unspezifischer Massentestungen bei insgesamt niedrigem Infektionsgeschehen ist daher nicht auszuschließen, dass Falsch-Positive Ergebnisse entstehen.

7. Versorgungsengpässe: Die Behandlung von akuten Herzinfarkten ist während der Pandemie um bis zu 40% gesunken, ob diese Veränderung an Versorgungsengpässen durch die Vorhaltung von Ressourcen liegt, oder einen Abbau der Überversorgung darstellt, ist bislang nicht durch Studien belegt.

Das EBM-Netzwerk weist insbesondere auf Missstände in der Kommunikation zur Covid-19 Pandemie hin. Die derzeit verwendete Kumulation der Fallzahlen ohne Bezugsgrößen entspricht nicht den Grundsätzen epidemiologischer Darstellung und ermöglicht so keine Einordnung der Zahlen. Patientenaufklärung und öffentliche Information sollten sich daher stärker an den Grundsätzen evidenzbasierter Gesundheitskommunikation orientieren. Wir empfehlen unseren Praxisinhabern daher die Publikation „Gute Praxis Gesundheitsinformationen“ , in der Sie wesentliche Maßstäbe einer evidenzbasierten Kommunikation finden.